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Die Titanic sinkt …

… und die Kapelle spielt lauter!

Es sei den meisten hier Stellung nehmenden Berufsfotografen eine mehr oder weniger nachvollziehbare Begründung für ihr Tun geschenkt, obwohl die Motivation vermutlich zum Gutteil im befürchteten Umsatzrückgang zu suchen ist. Nur so viel sei zu diesem Thema gesagt: Aus einem Meer angeblich minder befähigter Knipser müsste die dann spärlich vertretene meisterliche Kunst doch um so unübersehbarer herausragen – und wovor haben sie dann eigentlich Angst? Unter all den Stellungnahmen, die inzwischen zum geplanten Entfall von §94 Z 20 eingegangen sind, stechen zwei aber als besonders unangenehm hervor: Die erste Stellungnahme kommt von KR Heinz Zwazl, die zweite von Herrn Christian Schörg, beide sind Vollfotografen mit Brief und Siegel.

KR Zwazl beginnt seine Stellungnahme mit einem veritablen Paukenschlag: „Die Entscheidungsträger unseres Staates sind drauf und dran die Berufsgruppe der Fotografen zu zerstören. Ein Gewerbe, das erst 2008 wieder in das Handwerk umgereiht wurde, soll auf Wunsch der Pressefotografen dem freien Gewerbe gleichgeschaltet werden ! Die Argumente die dabei eingebracht werden sind zum Teil haarsträubend.“ Sehr geehrter Herr Kommerzialrat, haarsträubend sind in Wahrheit einige der von Ihnen in Folge vorgebrachten Argumente. Wenigstens lassen Sie bereits in der Einleitung die Maske sinken, denn „Gleichschaltung ist ein Begriff, welcher der nationalsozialistischen Terminologie entstammt.“ (Wikipedia) Der Begriff Gleichschaltung steht für den „Terror administrativer Maßnahmen“, und Sie würden damit einem Bundesminister der Republik Österreich gleichsam unterstellen, er wolle Sie oder Ihren ganzen Berufsstand terrorisieren oder entrechten. Dabei soll in bestehende Rechte nicht eingegriffen werden, lediglich die Meisterprüfung als Zugangsvoraussetzung soll zukünftig entfallen.

Weiter im fehlerbelasteten Zwazl-Text: „Die fertigen Fachfotografen sollten dann auch in dementsprechenden Betrieben ihr Wissen einbringen und eine gesicherten Arbeitsplatz auf Jahre haben. Es kann nicht sein, das der Fotograf als Nebenverdienst zu einen bereits bestehenden Beruf ausgeübt wird, ohne Ausbildung. Die Folgen werden nachhaltig negativ und für viele das berufliche Scheitern zur Folge haben.“ Herr Kommerzialrat, Sie geben also unverblümt zu, dass sich einige Berufsfotografen „einen gesicherten Arbeitsplatz auf Jahre“ wünschen. Auch Beamte teilten einst Ihre süße Sehnsucht, doch wurde selbst im Staatsbetrieb die Pragmatisierung (bis auf Kernbereiche der Justiz und Exekutive) abgeschafft. Und hier bei den Fotografen soll Pragmatisierung unter dem Deckmantel des Gewerbeschutzes fröhliche Urstände feiern dürfen? Erwarten Sie bitte nicht all zu viel Verständnis vom Rest der Bevölkerung!

„Was sagen wir unseren Lehrlingen, das Ungelernte ihren Beruf genauso betreiben dürfen ? Wie sagen wir es unseren Mitarbeitern, wenn wir sie nicht mehr beschäftigen können ? Wie unterscheidet der Konsument wem er trauen kann ? Was sagen wir unseren Kindern, wenn sie den Betrieb übernehmen sollen ? Wie wehren wir uns gegen Preisdumping, wenn Kalkulation nicht mehr zur Ausbildung zählt ? Was machen wir mit unseren Schulen, die teuer aufgerüstet wurden ? Wohin mit den Lehrern die niemand mehr braucht ?“ So viele Fragen. Wer kennt die Antworten? Ich kenne darauf nur eine Antwort: Wer meint, als Gewerbetreibender Sicherheit in all diesen Bereichen erwarten zu dürfen, hat in der wichtigsten Lektion des freien Unternehmertums gefehlt: Selbstständigkeit bedeutet stets Risiko!

Nun folgen zwei schwere Untergriffe des Herrn KR Zwazl: “Dazu kommt, das sich die Neuzugänge ganz offen gegen die Kammerzugehörigkeit, sowie unternehmerische Ethik und Ordnung aussprechen, wie bei entsprechenden Einträgen in Facebook und Twitter unzweideutig nachlesbar ist.“ Obwohl sich hier die Begriffe „Ethik“ und „Ordnung“ zur „Gleichschaltung“ von vorhin gesellen, sorgt mich doch am meisten die behauptete Ablehnung der Kammerzugehörigkeit durch freie Fotografen: Dies ist eine reine Unterstellung, und durch nichts beweisbar! Die angesprochenen Einträge in twitter und facebook stammen zu einem erheblichen Teil von den Pflichtmitgliedern selbst. Warum sollten wir Außenstehende denn auch ein System ablehnen, das uns derzeit (noch) nicht betrifft? Die Diskussionen über Pflichtmitgliedschaften ziehen sich längst schon quer durch alle Berufe und Bevölkerungskreise und dauern bereits seit Jahrzehnten an. Ablehnende Positionen sind unter den freien Fotografen nicht häufiger anzutreffen als anderswo! Im Gegenteil, die Pflichtmitgliedschaft wird selbstverständlich von den meisten zukünftigen Antragstellern von vornherein als Teil des Systems akzeptiert.

Der nächste Untergriff von KR Zwazl ist ebenso haltlos: “Als Unternehmer sind wir Berufsfotografen alle gewohnt, uns auch neuen Herausforderungen zu stellen, wir empfinden aber einen ‚ Diskurs ’ in Form von Verhöhnung und respektlosen Abkanzeln seitens dieser Gruppe, weil wir die Jahre der Berufsausbildung und Weiterbildung auf uns genommen haben, als frech und respektlos.“ Die Terminologie („diese Gruppe“, „Verhöhnung“, „frech und respektlos“) wäre wohl dem Umgangston in einer Vorschulklasse angemessen und unterstellt Boswilligkeit und Willkür. Die Gegner der Zugangsbeschränkungen berufen sich aber vorwiegend sachlich begründet auf die Verfassung sowie auf ihre Grundrechte, und bekämpfen Fehlurteile und willkürliche Auslegungen gesetzlicher Bestimmungen. In gewissem Sinne waren viele harsche Kritiken, die von Seite der Regulierungsgegner erfolgten, „aufgelegte Eigentore“ einiger Berufsfotografen, und viele Argumente der Reglementierer sind auch ganz ohne unser Zutun bereits lächerlich und unglaubwürdig genug. Wer ständig auf den selbst ausgelegten Bananenschalen ausrutscht, sollte sich über zunehmende Lacher nicht all zu laut beschweren. Es mangelt uns auch nicht an Respekt, vielmehr empfinden wir das lange und sture Festhalten an gesellschaftsschädigenden Reglementierungen als höchst bedauerlich.

Nun zur zweiten Stellungnahme von Christian Schörg, der vom Amateur den steinigen Weg über den Pressefotografen ging, und seit 1989 als Meister tätig ist. Zunächst wird wieder der Angstreflex bedient, wenn die Befürworter als Gefahr für Gewerbe und Lehrlinge geschildert werden: „Bitte helfen Sie mit, dass tausende Mitarbeiter und auch Lehrlinge ihre Anstellungen bei den österreichischen Berufsfotografen behalten können. Menschen, die offensichtlich keine Ahnung vom Fotografengewerbe und seiner Verwantwortung dem Kunden gegenüber haben, versuchen wieder einmal die fotografischen Betriebe elementar zu schädigen oder gar zu vernichten.“ Sehr geehrter Herr Schörg, vielleicht ist es Ihnen entgangen, dass die Innung bereits seit längerer Zeit die Existenz von Künstlern und Nebenerwerbsfotografen zu vernichten versucht. Dem Verein liegt ein besonders drastischer Fall vor, wobei einem angeblich unbefugt Fotografierenden durch Innungsfunktionäre unverhohlen mit der Vernichtung seiner beruflichen Existenz gedroht wurde. Dabei bestand sein einziges „Vergehen“ darin, für seine eigene Webpage Fotos angefertigt zu haben bzw. seine Fotos für die Illustration von ihm gestalteter Homepages zu verwenden. Herr Schörg hat auch hierzu etwas zu sagen: “Lassen Sie bitte nicht zu, dass dieses Gewerbe zu einem Hobby und zum Nebenverdienst herabgewürdigt wird.“ Was Herr Schörg in Unkenntnis der freien Wirtschaft als „Nebenverdienst“ abtut ist leider im 21. Jahrhundert berufliche Realität geworden. Die Nebenleistungen von Gewerbetreibenden und Selbstständigen werden immer wichtiger für deren wirtschaftliches Überleben. Nur bei den Berufsfotografen wird noch „heile Welt“ gespielt, und die Notwendigkeit fachübergreifender Dienstleistungen nicht nur geleugnet sondern aktiv unterbunden!

Danach wärmt Herr Schörg einige altbekannte Argumente auf: „’Knipsen’ aber hat nichts mit der Ausübung des Berufes als Fotograf zu tun, und ist ja nicht einmal vergleichbar mit dem Lenken eines Automatik-Pkw´s, denn selbst dafür sind spezielle Kenntnisse zu erwerben und ist eine Prüfung notwendig. Ein treffender Vergleich und für Jedermann vorstellbar und einsichtig mag Kochen sein: Es kann mit den entsprechenden Rezepten und Geräten von den meisten Menschen – traditioneller Weise vorzugsweise Frauen – Mütter, Ehefrauen – zu Hause oder bei Grillen im Garten zumeist mühelos durchgeführt werden. Ganz anders stellt sich das Kochen im Rahmen eines Restaurants oder der Verpflegung mehrerer Menschengruppen dar. Plötzlich wird Verantwortung getragen und es sollte kalkuliert werden, Steuer und Sozialversicherungsbeiträge sind zu bezahlen, juristische Vorschriften, Hygiene und unzählige andere Dinge sind auf einmal zu beachten. Ohne Lehre oder zumindest Aneignung der Kenntnisse und Erfahrung würde man doch niemand eine Küche leiten lassen.“ Ihr Frauen, nein: Ihr Mütter und Ehefrauen, flugs in alter Tradition an den Herd getreten, während der ‚Herr der Schöpfung’ fotografierend durch die Lande streift! Bereits der Vergleich mit der Fahrprüfung hinkt offensichtlich ganz gewaltig, denn ein Fotograf könnte mit seiner Kamera niemals eine Gruppe Schulkinder zu Brei fahren, oder durch Kollision mit einem Tanklaster ein Inferno auslösen.

Und der Vergleich mit der Gastronomie ist nicht nur ebenso grundfalsch, sondern ist – ganz entgegen Herrn Schörgs Logik – ein weiteres, zwingendes Argument für die Freigabe der Fotografie in ihrer Form als Kleinbetrieb: Die „kleine Gastronomie“ ist – ähnlich der „kleinen Beherbergung“ bis zu zehn Gästebetten – ohne Befähigungsnachweis ausübbar: „Sie benötigen keinen Befähigungsnachweis für die Verabreichung von Speisen in einfacher Art und den Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen, wenn hiebei nicht mehr als acht Verabreichungsplätze (zum Genuss von Speisen und Getränken bestimmte Plätze) bereitgestellt werden.“ (Quelle: WKO) Auch eine Frühstückspension ist ohne Befähigungsprüfung betreibbar. Und beim Betrieb einer Buschenschank oder eines Würstelstandes ist durch den Gesetzgeber überhaupt keine Beschränkung bezüglich Gästezahl auferlegt. Lieber Herr Schörg, wollen Sie uns mit Ihrem patscherten Koch- und Grillvergleich etwa sagen, dass Sie selbst noch nie beim Heurigen eingekehrt sind, oder nie in einer Frühstückspension nächtigen würden? Oder werden Sie uns aus weltanschaulichen Gründen nun dringend vom Besuch einer Buschenschank oder eines Würstelstandes abraten? Da wir dies nicht annehmen, wäre die Zeit wohl reif für die Freigabe der „kleinen Fotografie“: Betriebe mit wenigen Angestellten und ohne die Berechtigung, Lehrlinge ausbilden zu dürfen, haben in Zukunft genau so ein freies Gewerbe zu sein wie es die „kleine Gastronomie“ oder die „kleine Beherbergung“ jetzt schon sind!

Weiter zu Herrn Schörgs „Marketing-Theorien“: „Die Kundschaft muss sich auch darauf verlassen können, dass ein Fotograf nicht nur Porträts abbilden kann, sondern dass er auch firm genug ist, Sach-, Mode- oder Architekturfotografie (um ein paar Beispiele zu nennen) professionell zu fotografieren.“ Muss die Kundschaft das wirklich? Warum muss ein Tierfotograf eigentlich auch Architektur fotografieren können? Herr Schörg, wenn Sie Ahnung von Betriebswirtschaft haben, sagt Ihnen der Begriff „Überqualifikation“ wohl etwas, und in der heutigen Zeit ist Überqualifikation genau so unerwünscht wie das Gegenteil. Was nutzt es dem Kunden zu wissen, dass der befugte Meister zwar Babys, Autos, Hausfrauen-Aktfotos und Passbilder ebenfalls in leidlicher Standard-Qualität anfertigen kann, wenn er bei einem Mode- oder Werbeauftrag nicht die erwünschte Höchstleistung bringt – also letztlich versagt? Realistisch betrachtet kann es niemals möglich sein, dass ein einzelner Fotograf alle Fachgebiete allzeit perfekt beherrschen kann. Eine all zu breite Streuung der Aktivitäten resultiert in bestenfalls solidem Mittelmaß, welches für moderne Anforderungen wiederum definitiv nicht ausreichend ist!

Doch es geht weiter im Takt: „Ein „freier“ Fotograf hat kaum die Kenntnisse so absolut schwierige Themen wie Glas, Uhren oder Speisen (Foodfotografie) mit besten Ergebnis zu bewältigen, er hat keine Kenntnisse wie er ein Relief fotografiert, die Oberfläche einer Münze oder wie er ein Kirchenschiff ausleuchtet, ganz abgesehen davon, dass er kaum theoretisches Wissen aufweisen kann, wie Optik, elektronische Bild-Bearbeitung und elektronische Bild-Verarbeitung, und meist keine Ahnung von richtiger Lichtsetzung und Ausleuchtung hat, ganz abgesehen von Kenntnissen in Betriebsführung, Kalkulation, Buchhaltung, oder über Steuern und anderen Abgaben sowie Kenntnisse der rechtlichen Seite, wie zum Beispiel das Copyright.“ Herr Schörg, es mag Sie überraschen, aber ein freier Fotograf kann sich sehr wohl sämtliches Wissen aneignen, das zur erfolgreichen Tätigkeit in seinem Fachgebiet nötig ist. Er beherrscht sogar mitunter die deutsche Sprache besser als so mancher „Arbeitgeber und Lehrlingsausbilder“. Und jeder freie Gewerbetreibende muss genau so wie Berufsfotografen seine Steuern und Abgaben entrichten, Gesetze und Verordnungen befolgen, Schutz- und Copyright-Bestimmungen beachten, usw. Bleibt noch die essenzielle „Ausleuchtung eines Kirchenschiffs“ – in Zeiten von fünfstelligen ISO-Zahlen ist das geradezu ein technischer Anachronismus! Aber es passt ja letztlich wieder gut ins Bild. Durch die „schlechte Ausleuchtung der Oberfläche einer Münze“ oder einer suboptimalen Reflexion auf einer Uhr oder einem Glas verliert bestenfalls der freie Fotograf seinen Job, es kommt aber weder zu einer Gefährdung von Personen noch von Vermögen!

Dann folgt das nächste argumentative und orthografische Eigentor: „Kein Meister ist – die gilt seit vielen hunderten von Jahren – vom Himmel gefallen, Kenntnisse müssen erarbeitet werden. Es stimmt, dass es einige Laien bis in die höchsten Höhen der Fotografie gebracht haben, ein herausragendes Beispiel ist Herr Bitesnich aus Wien Neubau, seine wie Skulpturen anmutenden Fotografien nackter ineinander verschlungener Körper vermitteln eine eigene Ästhetik, er ist weltweit bekannt, hat weltweite Veröffentlichungen, Ausstellungen. Ein Talent, das sich seinen Weg gebahnt hat. Was bedeutet dies? Herr Bitesnich gehört zu den ‚Berufenen’, er wußte schon früh, dass es ihn zur Fotografie hinzog. Er lernte zuerst Fotoverkäufer. Dann packte ihn das wirkliche Interesse, er lernte und lernte, er vertiefte seine Kenntnisse, er experimentierte, seine Fertigkeiten gediehen so weit, dass er sogar in der Dunkelkammer in Schalen Color-Bilder entwickelte (so ziemlich jeder gelernte Fotograf würde davor zurückschrecken).“ Beinahe könnte man jetzt glauben, Sie würden Andreas H Bitesnich tatsächlich als den respektieren der er ist: Ein ganz Großer seines Faches, der es zu Ruhm und Ansehen gebracht hat, wie es Fotografen mit Meisterbrief gewöhnlich versagt bleibt. Ach, wie ist diese Welt doch manchmal ungerecht! Per aspera ad astra, per Meisterprüfung ad Bauchfleck? Aber bereits die Formulierungen „Herr Bitesnich aus Wien Neubau“ und „Fotografien nackter ineinander verschlungener Körper“ lassen erahnen, dass der Respekt doch nicht so groß sein könnte wie behauptet. Tatsächlich erdreistet sich eine in Fachkreisen berühmt-berüchtigte Dame bisweilen, Andreas H. Bitesnich lautstark und coram publico daran zu erinnern, dass er ohne Meisterbrief unterwegs ist, und diesen doch schleunigst nachzuholen habe. Bei einer dieser Veranstaltungen war auch Herr IM Michael Weinwurm persönlich anwesend, sodass dieser Vorfall wohl kein reiner „Zufall“ war sondern davon zeugt, dass selbst die höchsten Weihen fotografischen Ruhmes und diverse hochdotierte internationale Aufträge noch zu wenig Referenz sind, und Meisterfotograf Andreas H. Bitesnich daher in den Augen einiger Innungsfunktionäre noch immer der zitierte „Herr Bitesnich aus Wien Neubau“ geblieben ist.

“Talent, Neigung, Wissen und einschlägige Kenntnisse, das macht einen Fotografen aus, nicht einfach mit der neuen digitalen (sicherlich großartigen) Technik herumknipsen und so tun als wäre man Fotograf.“ Diesem Satz könnte man in Teilen zustimmen, doch müsste er inhaltlich sofort ergänzt werden: Es reicht auch nicht aus, ein Mal im Leben eine Prüfung, noch dazu über analoge Technik, abgelegt zu haben, um danach Jahrzehnte lang ohne nennenswerte Weiterbildung oder technische Anpassung tätig sein zu dürfen! Doch genau so sieht mit der derzeitigen Regelung in der Berufsfotografie der Status quo aus: Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Berufsfotografen hat derzeit erst sehr mangelhafte Kenntnisse von digitaler Fotografie. Die „digitalen“ Jobs erledigt im Bedarfsfall eben rasch ein Angestellter. Ist das wirklich in Ordnung so? Nein – denn erstens ist das wohl ein Betrug am Kunden, der sich ja angeblich so sehr die „Hand des Meisters“ wünscht, diese aber hier nicht erhält. Zweitens, könnte die Argumentation mit gleichem Recht umgekehrt werden, und die freien Fotografen könnten sich fehlendes Können durch die Dienste eines Großformat- oder Analogspezialisten jederzeit zukaufen. Ja sogar die Leistung eines „Meisters“, wenn es geboten scheint und das Budget dies erlaubt. Wiederum verkehrt sich ein angebliches Argument gegen die Freigabe also in sein Gegenteil.

À propos Status quo: „Wir haben es den talentierten Kandidaten leicht gemacht, sie müssen nur im Rahmen einer Prüfung nachweisen, dass sie sich entsprechende Kenntnisse erworben haben, es wird ja gar nicht mehr nach Berufszeiten gefragt oder ob er diesen oder jenen Kurs absolviert habe.“ Leider wissen wir es aus erster Hand besser – von mehreren Kandidaten der letztjährigen Prüfungen, die bestätigen, dass dies billige Worte sind! Sehr wohl entscheiden Großformat-Reprofotografie und Beherrschung der Fachkamera nach wie vor über Gedeih oder Verderb, der digitale Workflow bleibt nebensächlich. Prüflinge wurden nach eigenem Empfinden wiederholt beschimpft und herabgewürdigt. Mag sein, vielleicht sind die Jungfotografen nur zu zart besaitet für die raue „Herzlichkeit der alten Haudegen“, vielleicht entspricht dies auch deren Empfinden von „leicht gemacht“, oder das Talent hat einfach nicht gereicht – entspricht doch 1 Talent (groß) gleich 147,334 Kilogramm – also, esst’s was G’scheit’s! Tatsache aber bleibt, dass die Prüfungen weiterhin „hinter verschlossenen Türen“ stattfinden, die Protokolle nicht öffentlich zur Auflage gebracht werden, ebenso wie in mehreren Fällen eine rationale Begründung der an den Prüflingen geübten Kritik ausblieb, womit Willkür und Protektionismus im Rahmen der Befähigungsprüfungen weiterhin nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden können. Die Prüfungen sind daher in ihrer derzeitigen Form strikt abzulehnen!

Am Ende folgt noch schöne Zahlenspielerei von Meister Schörg: „Dies sind dann auch die Berufenen: Im Jahr 2010 waren in Österreich mehr als 120 Personen zur Meisterprüfung angemeldet. Etwa 1.700 Vollfotografen arbeiten in unseren neun Bundesländern, 2.700 Mitarbeiter und 160 Lehrlinge werden derzeit beschäftigt.“ Diese teils schön gerechneten Zahlen beinhalten offensichtlich den relativ hohen Anteil an abgelehnten Kandidaten diverser Befähigungsprüfungen, was die Aussagekraft der Zahlen bereits deutlich relativiert. Fakt ist jedenfalls, dass Fotografie aus Sicht der Lehrausbildung (dem hoch gepriesenen dualen System) bestenfalls eine erbärmliche Fußnote darstellt, denn weder findet sie sich unter dem Index der fünfzig begehrtesten Lehrberufe, noch taucht es im tabellarischen Index der 98 Lehrberufe mit 100 oder mehr Prüfungsantritten des Jahres 2011 auf – sehr seltsam, wenn doch 160 Lehrlinge… na ja, „derzeit beschäftigt“ ist ja auch nicht mit „in Ausbildung stehend“ zu verwechseln, die 160 geteilt durch 3,5 Jahre ergäbe auch nur schlappe 45 ¾ Lehrlinge jährlich. Wie verhält es sich jetzt mit Herrn Schörgs Behauptetung, die Freigabe der Fotografie würde das Handwerk „elementar schädigen oder gar vernichten“? Blicken wir zu unserem nächsten Nachbarn nach Deutschland, so hat dort die völlige Freigabe des Gewerbes 2003 (Fotodesigner war auch zuvor schon ein freier Beruf gewesen) zunächst zu einer dramatischen Modernisierung der Fotografenlehre geführt. Die Ausbildungspläne wurden entschlackt und nahezu vollständig auf digitalen Workflow umgestellt. Was war die Folge? „In den Berufen … Fotograf/-in … war [2012] die Nachfrage aufseiten der Jugendlichen sehr hoch“ (Quelle: Datenreport des Bundesinstituts für Berufsbildung, BiBB), in absoluten Zahlen standen im Jahr 2012 den 1.110 um einen Ausbildungsplatz ansuchenden Jugendlichen 791 Ausbildungsplätze für die Fotografenlehre zur Verfügung, womit bei 31 bundesweit unbesetzt gebliebenen Plätzen beachtliche 350 (!) Nachfragende auf einen freien Platz als Fotograf/-in-Azubi warten mussten (Quelle: BiBB). Somit bewegen sich die Lehrlingszahlen – bezogen auf die Gesamtbevölkerung – in verblüffend ähnlichen Regionen! Mehr noch, die jährliche Nachfrage an Fotografen-Lehrplätzen übersteigt in Deutschland das Angebot um beeindruckende 44%. Nur noch einmal zur Erinnerung: In Deutschland ist das Fotografengewerbe bereits seit 2003 ein freies Gewerbe! Von einer behaupteten bevorstehenden „Vernichtung“ des dualen Systems kann also absolut nicht die Rede sein.

Es ist zu hoffen, dass beide Berufsfotografen mehr Sorgfalt bei der Anfertigung ihrer Lichtbilder walten lassen als bei der Erstellung ihrer Stellungnahmen, sonst liegt die erwähnte Bananenschale schon wieder in Trittweite.

Text: Viktor Zdrachal

Dieser Kommentar stellt eine journalistische Meinungsäußerung dar und enthält auch satirische Elemente.